Die Chroniken der Verbliebenen Bd. 3 - Die Gabe der Auserwählten by Mary E. Pearson

Die Chroniken der Verbliebenen Bd. 3 - Die Gabe der Auserwählten by Mary E. Pearson

Autor:Mary E. Pearson [Mary E. Pearson]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783732549443
veröffentlicht: 2017-10-25T22:00:00+00:00


MITTEN IN DER NACHT spürte ich, wie er aus meinem Arm schlüpfte, doch ich dachte, dass er sich nur umgedreht hätte. Als ich früh am nächsten Morgen aufwachte, war er fort. Alles, was ich vorfand, war eine Dienerin mit wachsamem Blick und einem Tablett voller Törtchen, Trockenfrüchte und Sahne. Sie stellte es auf dem Tisch ab und knickste.

»Ich bin Tilde. Seine Majestät hat mir befohlen, Euch mitzuteilen, dass er Besprechungen hat und später wieder nach Euch sehen wird. Inzwischen soll ich Euch bei allem helfen, was Ihr wünscht.«

Ich sah auf das zerknitterte Kleid hinunter, in dem ich geschlafen hatte. »Madama Rathbone wird bald weitere Kleider schicken«, fuhr Tilde fort. »Sie wollte außerdem wissen, ob man Eure übrigen Habseligkeiten reinigen soll oder … verbrennen.«

Ich wusste, dass sie von Letzterem ausgingen. Die Kleider konnte man nicht mehr flicken, doch meine Stiefel und besonders Walthers Wehrgehänge konnte ich nicht einfach so hergeben; und während ich eingehender darüber nachdachte, konnte ich mich auch genauso wenig von den Überresten des Kleides trennen, das so viele Hände genäht hatten. Ich erwiderte, ich würde meine Habseligkeiten selbst säubern, wenn sie sie mir brächte.

»Ich kümmere mich gleich darum, Herrin.« Sie knickste und eilte aus dem Zelt.

Ich bürstete mein Haar, zog die eleganten Schuhe an, die Vilah mir geliehen hatte, und schlug den Weg zu Oberst Bodeens Amtszimmer ein.

Die dicken Mauern des Stützpunkts leuchteten hell in der Morgensonne. Alles an der Garnison war makellos – und beängstigend ordentlich. Sie verströmte das Selbstbewusstsein eines Königreichs, das bis in die Grundfesten hinein unerschütterlich war. Selbst der Boden zwischen den Gebäuden war von sorgfältig gerechtem Kies bedeckt, der die Farbe von Orangenmarmelade hatte. Er knirschte leise unter meinen Füßen, als ich mich einem langen Gebäude näherte, das jenem ähnelte, in welchem wir gespeist hatten; dieses hier hatte jedoch nur kleine, weit oben angebrachte Fenster. Vielleicht wollten sie nicht, dass man von außen sah, wer sich drinnen mit wem traf.

Die Offiziere sahen überrascht auf, als ich die Tür öffnete; aber weder Rafe noch Sven oder Oberst Bodeen waren unter ihnen.

»Eure Hoheit«, sagte Leutnant Belmonte und erhob sich. »Können wir etwas für Euch tun?«

»Man hat mir gesagt, dass wir uns heute treffen. Ich bin gekommen, um unser Gespräch von gestern Abend fortzusetzen. Über die vendische Armee. Ihr müsst wissen …«

Hauptmann Hague ließ einen Stapel Papiere deutlich hörbar auf den Tisch plumpsen. »Der König hat uns bereits über die Entwicklungen in Venda ins Bild gesetzt«, sagte er und fügte mit demonstrativem Blick auf mein mitgenommenes Kleid hinzu: »Während Ihr noch geschlafen habt.«

Ich strich mein Kleid glatt. »Ich respektiere natürlich, was der König Euch vielleicht bereits gesagt hat, aber er hat nicht gesehen, was ich gesehen habe, als …«

»Seid Ihr eine ausgebildete Soldatin, Eure Hoheit?«

Er unterbrach mich so rüde, dass er mir auch genauso gut eine Ohrfeige hätte geben können. Der Stachel verfehlte sein Ziel nicht. So sollte es also laufen? Ich beugte mich vor, die Hände flach auf dem Tisch, und erwiderte seinen bohrenden Blick. »Doch, das bin ich, Hauptmann, auch wenn mir vielleicht ein anderer Blick auf die Dinge beigebracht wurde als euch.



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